

Montag, den 14. September 1925 – Hann. Münden
Heute ist Montag.
Gestern… ach, war das schön! Ich saß noch an meinem Schreibtisch, als Herbert hereinstürmte und aufgeregt erzählte, dass Fräulein Schmidt angerufen hätte: ich solle um halb zwei mit meiner Gitarre unten sein. Wir führen nach Hann. Münden! Es konnte auf der Welt keinen glücklicheren Menschen geben. Ich rief schnell zurück, ob sie noch eine Viertelstunde warten könnten, da bei uns das Dinner so lange dauerte.
Bei Tisch. Der Baron beschrieb mir noch den Weg. Dann erörterte ich ihm die Reise. Ich war so froh, endlich einmal herauszukommen. Es schien mir Taulin und Herbert beeilten sich ganz schön, damit ich früh genug wegkam. Bine hat mich immer angesehen und wir verabredeten, um Viertel nach drei aneinander zu denken.
Dann sauste ich den Berg hinunter. Das Auto stand schon bereit. Frau Schmidt stand vorm Haus, die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel. Lotte und ich saßen hinten, Herr Edam vorne. Kurt meinte, wir sollten uns erst einmal ordentlich ausklingen. Die Fahrt und das Wetter war ein Traum! Ich hätte jauchzen können! Ich musste nicht mehr allein im verlassenen Schloss sitzen. Ich gehöre zu ihnen. Wir fuhren über Dransfeld Richtung Weser. Berge und Täler sausten an uns vorbei. Der grünen Hut und braunen Automantel, wehten fast davon.
Als wir in Hann. Münden ankamen, fing es an zu regnen, sodass das Verdeck geschlossen wurde. Die Stadt mit Werra, Fulda und den ansteigenden Hängen mit dem Schloss und den Burgen und Villen war herrlich. Wir kehrten ins Hotel „Jung“ ein, die einzigen Gäste. Lotte und ich auf dem Sofa, gegenüber saßen die Herren. Wir lachten, tranken, hörten Grammophonmusik und erzählten Witze. Lachten über Bine, und Edam mit Eichel im Gesicht. Lotte und ich tauschten oft verständnisvolle Blicke. Kurt neckte uns: „Ich glaube, ihr beide habt euch so richtig gefunden“, woraufhin Lotte und ich nur grinsten, da wir an Bines Ausspruch über unsere „heimliche Liebe“ denken mussten.
Wir bummelten durch die Stadt. Ich sehe Herr Edam noch mit sämtlichen Mänteln bepackt. Hinter ihm der Herr Chef mit seinem Apparat. Auf der Brücke setzten wir uns auf die breite Steinmauer, genossen die Aussicht, und ich spürte plötzlich, dass Kurt mich beobachtete. Entweder er wollte oder hatte mich und Edam fotografiert. „Wenn’s verwackelt ist, lache ich!“
Doch er fuchtelte noch immer damit herum. „Was wollen Sie denn nur mit dem Ding noch?“
„Den ganzen Tag warte ich nun schon darauf, dass Sie lachen sollen.“ Aber auf Kommando ging das natürlich nicht.
Im Weserkaffee saßen wir später am Fenster, er mir gegenüber. Es war sehr warm, Musik spielte, viele Menschen, Lachen, Sommer, die Weser und draußen die grünen Berge. Lotte und ich holten unten Kuchen. Als ich wieder zurückkam, hatte Edam Karten besorgte, und nun wurde geschrieben. An welche vier Personen dachte ich wohl: Idel, Nudel… ich sah aus dem Fenster. Bald hieß es, ich sähe aus, als sei ich verliebt. „Man irrt sich“, antwortete ich nur und spürte, wie mir die Wangen glühten. „Und wenn, dann sage ich es noch lange nicht.“ Er hat schon gemerkt, dass ich nicht alles sage, was ich dachte. Mein Herz klopfte. Ich sah niemanden an, nur hinaus auf das weite Land.
„Ach ja, muss der es gut haben!“
„Wer?“
„Der Auserwählte. Ich wünschte, an mich denkt auch mal eine schöne Frau.“
Da sah ich ihn an. Was ich erwiderte, weiß ich nicht mehr. Als er wieder anfangen wollte, meinte Lotte: „Kurt, du bist richtig durchgedreht.“
„Wo durchgedreht?“
Dann schrieb ich die Karte an meinen Freund und gab sie Lotte zum Unterschreiben. Dann ging sie weiter herum. Zugeklappt gab er mir meine Karte zurück. Auf seinen Wunsch hin habe ich noch Hilde L. geschrieben. Das machte ich sehr gerne.
Aus der geplanten Kahnfahrt wurde zwar nichts, stattdessen saßen wir wieder im Hotel und studierten die Landkarte. Überlegten ist Theater in Kassel zu gehen, aber das war eine geschlossene Vorstellung von „Zar und Zimmermann“.
Schließlich war der Plan nach Göttingen zur Kirmes. Ich saß im Wagen vorne neben ihm. Mit Gitarre und Grammophon, wir sangen.
Es ist so spät und kalt hier. Ich bin so müde. Ich denke an gestern: Tanzen, Musik, ernste Gespräche, Wagner… Heide.


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