

Sonnabend, den 26. September 1925
Nachmittag, 16:50 Uhr
Um fünf beginnt das Erntefest. Bine und ich sollen vorher noch zum Kaffee kommen und dann gemeinsam mit den Schmidts hingehen. Das Pensionat und eine Freundin aus Peine sollten auf Kurts Wunsch eingeladen werden. Hoffentlich sind sie da!
Heute Morgen wünschte ich, nicht hinzugehen. Jetzt denke ich: Lass ihn mit den anderen lachen und tanzen. Ich will mal sehen, ob ich so kleinlich bin, das nicht aushalten zu können.
Auch das Telefongespräch von Lotte Schmidt mit ihrer Freundin Marga tat mir gestern weh. Ich verlange immer den ganzen Menschen. Nur für mich. „Werthers Leiden“ kann ich so gut nachempfinden.
Heute war hier wieder Besuch: außer dem Forstrat kam auch der Baron von Bodenhausen mit seiner Frau, dem Sohn und einer alte Gesellschaftsdame. Als ich zum Tisch kam, da saßen schon alle. Die Baronin stellte uns vor, und ich fühlte wieder, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Ausgerechnet dem jungen Baron, der neben mir saß, gab ich die Hand. Links von mir saß der alte Baron, der mich an Rhoda erinnerte. Sehr nette Menschen! Dieses Mal fühlte ich mich sogar dazugehörig, unterhielt mich mit ihnen und merkte den Blick des jungen Barons.
Mädi und ihr Vater wollen heute Abend auch zum Erntefest kommen. Mädi quält mich, denn ich soll dann auch wieder mit.
Nach dem Essen fütterte ich die Katze und kam hinunter ins Herrenzimmer, wo alle Mokka tranken. Bine schmiegte sich an mich. Die Baronin saß mit Fräulein Benthe auf dem Sofa. Sie kommt aus der französischen Schweiz und fragte mich nach meinem Unterricht aus. Mir gegenüber saß der Baron im Sessel und fixierte mich wieder. Danach ging ich mit Bine hinauf zum Schularbeiten machen.
Idels Brief: Sie leidet an der Einsamkeit leidet. Lotte hat wieder neue Verehrer.
Ich soll den Gutsleuten meine Geldverhältnisse sagen und wenn sie mich dann trotzdem einladen, soll ich es ruhig annehmen. Ja, wenn es nur nicht der Junge wäre, dann vielleicht. Aber so …
Bine zieht sich an. Der Lebenskampf beginnt wieder.
Abends, 23:30 Uhr
Das war also das Erntefest.
Er versteht Feste zu feiern, aber er liebt mich nicht!
Mädi und ich mit Bine. Licht und Lachen. Der Baron kam später und tanzte den ersten Tanz mit mir, drei Viertel lang, dann übernahm Kurt Schmidt das letzte Viertel. Sonst widmete Kurt sich seinem Volk, das konnte er.
Lotte Schmidt bat mich herzlich, wiederzukommen. Aber da weder Mädi noch ich allein kommen wollten und wir beide müde waren, ging keine von uns.
Und traurig bin ich eigentlich doch nicht. Warum nicht, wo er mich doch nicht liebt?
Ob man mich jetzt vermisst? Vielleicht Lotte … Er hat ja die Mädchen aus dem Pensionat. Und morgen mag ich nicht zu ihnen gehen!


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