

Sonntagmorgen, den 27. September 1925
Der Baron ist gestern bis 4:10 Uhr beim Erntefest geblieben. Er sagte immer:
„Fräulein Oltrogge, warum sind Sie nicht wiedergekommen?“
Und zu Mädi sagte er: „Ihr habt etwas versäumt, es war glänzend. Ein sehr gelungenes Fest.“
Nun regnet und stürmt es wieder. Die Baronin und Mädi wollen zur Kirche, heute ist die Einweihung des Denkmals. Ich habe keine Post.
In 14 Tagen bin ich in Hannover. Heute feiert Mäusel in Hannover ihren Geburtstag.
Nachmittags, 18 Uhr
Ich hole gerade Muschi aus dem Badezimmer und sehe, wie das Auto unten abfährt. Er hätte den Mädels ruhig einmal die Gegend zeigen können. Mich vergisst er sowieso. Und doch denke ich an etwas Bestimmtes:
Wir standen auf den Steinstufen bei Nagels, da kamen auch die Schmidts. Er sah gut aus, ganz in Schwarz und mit Zylinder. Bine hat die ganze Zeit nur ihn angesehen. Sie sagte später, er hätte so gerade gestanden und so ernst ausgesehen. Todernst. So mag ich ihn am liebsten.
„Warum seid ihr gestern nicht wiedergekommen?“
Ich wusste keine Entschuldigung.
Als Bine und ich später zum Kaffee herunterkamen, sahen wir draußen ihren Papi noch in Uniform mit der ganzen Clique. Bine lief hinaus und ich folgte ihr. Sie hatten sogar auf mich gewartet.
Der Baron zeigte uns alle seine Schätze und bot uns Feigen, Weintrauben und Rosen an. Meistens ging er neben mir, neckte mich, brachte mich zum Lachen. Danach war ich wieder fröhlich und vergnügt. Aber Lotte lud mich nicht ein, mitzukommen.
Also bleibe ich allein mit mir.
Wenn ich doch auf der Welt einen fände, dem ich all meine Liebe schenken könnte, der immer noch sagte: „Mehr, mehr!“ Wie glücklich würde ich sein. Aber niemand will meine Liebe. Was fange ich nur damit an?
Soll ich lieber wieder nach Hannover gehen? Aber dort vergehe ich vor Sehnsucht nach hier. Nach ihm, den ich doch liebe. Ob er nichts davon merkt?
Hoffentlich nicht!


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