
Freitag, den 2. Oktober 1925
Gestern Abend glänzte der Vollmond, während Nebel über Berg und Tal lagen. Lotte begleitete mich den Berg hinauf bis ans Tor. Sie bat mich, sie nicht so oft allein zu lassen und immer wieder zu kommen. Das weiße Schloss, die hohe Mauer, die dunklen Bäume, unser Geflüster und Händedruck. Wir duzen uns jetzt! Wunderschön war der Abend.
Als ich endlich rein ging, schlug es neun Uhr. Im Nebel stand die Eiche wie ein riesiger aufgetürmter Wächter. Ich dachte, alle wären längst im Bett. Doch in zwei Zimmern brannte noch Licht. Grammophonklänge wehten mir entgegen. Herr Edam begrüßte mich. Lotte und ich setzten uns auf das Sofa, Edam in den Korbsessel. Neben mir war ein Sessel frei. Offenbar für den Chef, der dann auch erschien. Er hatte sogar Schuhe an. Er setzte sich zu mir.
Ich kann gar nicht sagen, wie mir zumute war und was alles zur Sprache kam. Edam saß meist still und beobachtete. Gerade er sollte sich nun einer großen Gunst gewiss sein. Er hatte noch nicht vergessen, dass ich auf dem Erntefest nicht wieder zurückkam. Edam sagte, man hätte mich sehr vermisst.
„Das glaube ich“, sagte ich halb traurig wegen der Pensionatsmädchen. Da machte Kurt Schmidt allerdings Einwendungen. Ob es ihm wirklich leidgetan hat? Ich muss es wissen!
Plötzlich lud er Lotte zu einer Fahrt nach Hamburg ein und fragte mich, ob ich nicht als Führer mitfahren wollte. Ich hätte dann ja schon Ferien und bin dann schon in Hannover. Natürlich wolle er über Hannover fahren und mich abholen. Lotte bemerkte: „Aber dann ist ja noch die schöne Hamburg gar nicht da!“
„Dann fahren Sie doch lieber später“, sagte ich. Doch das sei ihm einerlei, ob die da wäre oder nicht. Dabei spürte ich seinen Blick, ohne ihn anzusehen.
Wir lachten und tanzten. Er meinte, ich würde alle mit meiner Frische und Fröhlichkeit anstecken. Auch mein Geburtstag und meine reizende Freundin wurden erwähnt.
„Die ist genauso reizend wie Fräulein Oltrogge“, sagte er zu Edam.
„Dann muss sie ja wirklich reizend sein“, erwiderte der.
Einmal verabschiedete er sich schon von mir, blieb dann aber doch noch. Sehr zu Lottes Kummer, die den Geburtstag ihres Kurts eigentlich noch besonders mit mir feiern wollte. Endlich gingen sie. Lotte und ich lasen und plauderten noch bis Mitternacht. Draußen war es taghell vom Mondlicht.
Und heute? Der schönste Herbsttag, den man sich nur denken kann.
Meine Brüder wolle er kennenlernen.


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