

Sonntag, den 11. Oktober 1925
Hannover!
Idel sitzt im Sessel, Thyra ist auf dem Sofa, und die Kinder sind im Bett. Alles schläft. Es ist gerade drei Uhr. Was mag man wohl jetzt in Adelebsen denken und tun? Vorgestern habe ich an Lotte geschrieben. Ich bin gespannt, ob sie kommen. Meine Zeit ist schon wieder vollkommen besetzt: Thyra bleibt noch bis Mittwoch, dann muss ich zur Schneiderin, Apfelmus kochen und Wäsche waschen. Wann komme ich nur zu meinen Freundinnen? Wann gehe ich ins Theater?
Ein Auto hupt! Hauptsache sie kommen nicht unangemeldet…
Und dabei denke ich immer an sie. Immer.
Der letzte Tag dort
Nachmittags waren wir wieder beim Schaukeln. Lotte bemerkte gleich, dass ich stiller war. Auf ihre Frage sagte ich, ich hätte mich oben geärgert. Sie meinte, ich solle mich doch wieder ärgern. Ich könnte es ja sonst ganz gut. Ich dachte sofort an die Wagenfahrt, wo ich gewisse Leute wegen ihrer „Dicke“ hochgenommen hatte… da log ich und sagte „nein“. Und wusste doch, dass ich immer daran denken musste.
Sie wollte noch viel Zeit mit mir haben, deswegen wollen sie morgen mit mir ins Theater. Dann fasste sie mich so um, wie sie das immer tat, und wir mussten noch mit ins Haus.
So albern waren wir drei wohl noch nie: Rekelten uns auf der Chaiselongue, ließen das Grammophon spielen, machten lachend die ernsthaftesten Bemerkungen: „Du teilst auch nicht, Hedy.“
„Du doch auch nicht.“
„Du aber auch nicht.“ Gösta Berling hatte ich ihr mitgebracht.
Vor dem Tor: „Sieh da, der Abendstern. Schnell, wünsch dir was!“ Dabei sah Lotte mich an. „Hab ich schon.“
„Aber nun auch was Vernünftiges!“
Abends musste ich wiederkommen!
Oben, bei Tisch: Didi, Mädi, Baronin, Bine, Quast und ich.
„Nun habt ihr zum Abschied geschaukelt?“, fragte die Baronin.
Bine antwortete: „Ja, und Wichtel geht heute Abend auch noch wieder hin.“
„Na, die Freundschaft ist aber wirklich glühend!“
Ich konnte nicht verhindern, dass ich wieder rot wurde.
Mit Laute, Strickdecke und Taschenlampe hab ich allen „Gute Nacht“ gesagt und ging mit lachendem, klopfendem Herzen den Burgberg hinunter. Dann wird mir immer so frei und leicht ums Herz. Jubeln möchte ich. Singen.
Zum Tor hinein, durch die Pforte. Meine Füße sind leise auf dem Pflaster, kleine Schritte, die Treppe hinauf, ein Klingelzug, die Tür geht auf. Lotte kommt mir entgegen und nimmt mir die Laute ab.
Der erste Schritt ins Herrenzimmer ist immer der schwerste. Da sitzen alle in ihren Klubsesseln. Edam klagt über meine Untreue. Er meint, ich hätte die Laute vergessen… Der alte Herr Schmidt verlässt uns, dann klönen wir. Er sitzt im Sessel neben mir, übergeschlagene Beine, sein Fuß im Reitstiefel wippt auf und ab. Ein Lied soll ich singen. Ich denke, „Marie, Rote Wolken am Himmel“ und ich freue mich. Ja, ich freu mich. Schön war das Leben. Ich jubelte es hinaus.
„Wenn wir nun wieder ausfahren, können wir es“, sagt seine Stimme neben mir.
„In die Lüneburger Heide…“ Lotte hatte auf meinen Wunsch dämmerndes Licht gemacht, denn ich mochte nicht, dass man mich so ansieht.
„Bester Schatz, denn du weißt es ja.“
„So wissen die das?“
Fast mechanisch antworte ich: „Ja, die wissen das.“
„Dies wunderschöne Land muss ich doch auch mal kennenlernen, besonders weil so liebe Menschen da wohnen.“
Mein Herz hörte es froh zitternd und mein Mund sagte: „Das müsste man schon des Landes wegen tun.“
Aber davon wollte er nichts wissen, beinahe machte er mein Heimatland schlecht. Aber das wollte er dann doch nicht, sagte er. Da erzählte ich von meiner Heide und er von den Bergen und Alpen. Er schwärmte, und ich lauschte seiner Stimme. Wie er erzählen kann!
Herr Edam war müde, doch Lotte bat ihn noch einmal um ein Lied. Hier kam der lustige Teil: „Bahn, kleine Bahn…“, dann wiederholte er den Refrain: „Wir sind aus einem Holz…“ Dann wollten wir sie loswerden. Wir waren pikiert, aber wir mussten doch noch ein Buch besprechen.
Und dann hatte Lotte mich neulich verteidigen müssen. „So, das war nötig?“ Hilde hatte gesagt, die Männer wären anzuvisieren, und als er mir das wieder erzählte, sagte ich: „Die sagts wenigstens…“ das wiederholte er nun. Auch nachdem er mir eine recht gute Nacht gewünscht hatte.
„Jetzt kommen wohl Trauergespräche, was die Frau vor der Ehe wissen muss“, sie lachten.
Lotte las mir vor, ich sann und sann… Nach zwölf brachte sie mich heim. Nun wußte sie doch, wonach ich mich sehne. Und schreiben soll ich, wo ich wohne…
11.10.25
Thyra und ich wollten ins Theater, aber Idel…? Nun hab ich doch einen Dickkopf und bleibe hier. Wir waren nachmittags bei Else. Die Kinder sind süß.


Hinterlasse einen Kommentar