

Freitag, den 30. Oktober 1925
Meine Augen tun mir weh vom Weinen. Und doch ist die Herbstwelt so wunder-, wunderschön.
Als ich den Berg hinaufstieg, Lotte wollte mich erst hinaufbringen, da sah ich den Nebel über das grüne, grüne Tal ziehen. Über mir der helle Sternenhimmel, und über dem Gut stieg der gelbe Mond auf.
Ich dachte an die Menschen, die mich lieben. Und an die, die mich kränken. Da konnte ich nicht anders: mitten auf dem Weg blieb ich stehen, niemand sah mich, und ich faltete die Hände.
Lotte hilft mir, weil sie mich liebt. Sie hilft mir auch gegen das Kind.
So lieb Bine meistens ist, so trotzig und ungezogen kann sie werden, wenn ihr etwas gegen den Strich geht.
Wir haben Bine nach oben gebracht, und Lotte ist mit mir in den Flecken gegangen. Mir fehlt etwas, wenn sie nicht bei mir ist, aber sie hält mich für zu gut.
Gestern um diese Zeit war ich unten. Das Thema: Der Heidekreis! Er war da.
Zuerst meinte er, mich genau ansehen zu müssen, weil wir uns so lange nicht gesehen hätten. Dann wollte er mich ärgern wegen meiner Stellungnahme zu dem Stück. Er kann seine Ansichten gut verteidigen, aber er ist ganz anders. Ich glaube, Ideale hat er nicht. Nun bin ich ihm erst recht ein Rätsel. Und dann beugt er sich so ganz nach mir her und sieht mich an, als wolle er mich ergründen. Aber das gelingt ihm sicher nicht.
Die Karte, die er mir in Berlin schreiben wollte, hat er in der Tasche behalten. Ob er wohl durchsetzt, dass ich mit ins Theater muss, wenn „Die Frau ohne Kuss“ gegeben wird?
So müde und merkwürdig waren Lotte und ich gestern Abend. In der Nacht stand ich um drei Uhr auf.
Ich glaube, mich wird nie ein Mann verstehen können. Mir wirklich trauen.
Es ist gleich zehn Uhr, ich müsste stricken oder an die Regierung schreiben. Ich kann nicht. Morgen vielleicht…
„Schlafen, schlafen, nichts als schlafen. Kein Erwachen. Keine Trauer. Alle Leiden, die mich trafen. Leisesten Erinnern kaum.“
Proger hat damals an den Baron wegen meines Zimmers geschrieben. Wie gut all die Menschen zu mir sind, die nichts von mir haben!
Ich danke ihnen dafür.
Es war ein goldener Herbsttag heute. „Großer Eichenberg, Papiermisten, Gästeburg.“ Keine Ahnung was diese Wörter bedeuten könnten.


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