Wie frisch aus der Heide

2–3 Minuten

Sonntag, den 31. Oktober 1925

Es ist zehn Uhr. Draußen liegt dichter, dicker Nebel. Als Lotte Bine und mich nach oben brachte, sah der Mond aus wie ein roter Lampion über der Mauer.

Morgens waren Bine und ich unten. Ein Auto fuhr uns noch vors Tor. Wir riefen hinaus: „Hallo! Hallo!“ Aber Lotte war nicht da. Das Mädel! Die Schwester unserer Minna, sagte, dass Lotte backte. Da erinnerte ich mich: Teutebergs Geburtstag! Ich hatte wieder einmal meine liebe Mühe, Bine zum Mitgehen zu bewegen.

Nachmittags waren wir wieder unten.

Ich hatte vorher die Elsa vor dem Haus halten gesehen. Im Flur traf ich Lotte. Sie hatte schon von Herr Edam von uns gehört.

Im Zimmer saß er. Im grünen Anzug, im Sessel, neben dem Grammophon. Bine blieb etwas eingeschüchtert an meinem Sessel stehen. Auf seine Frage, ob sie mich denn jetzt nicht mehr leiden könne, wollte sie mir gleich wieder stürmisch um den Hals fallen. Zum Glück verhinderte ich es noch. Erst musste ich Lotte erklären, warum wir morgens wieder umgekehrt waren.

Er wandte sich an mich und meinte, ich sähe heute so frisch aus „als kämen Sie gerade von der Heide!“

Ich sah ihn an und sagte: „Ich dachte, ich sähe immer so aus.“

„Was haben Sie erlebt?“ fragte er.

„Nichts. Und Sie?“

„Ich habe viel erlebt“, meinte er.

„Auch Schönes?“ fragte ich.

„Ja“, antwortete er. Dann nach einer Weile: „Warum können wir uns denn nicht einmal über das Schöne unterhalten?“

Mein Herz krampfte sich zusammen. Ich sah weg und sagte nur: „Dazu neige ich nicht.“

Dann sprach er plötzlich wieder zu Herr Edam, der glaube, ich hätte Angst vor ihm.

Er fragte Bine: „Hat Fräulein Oltrogge denn vor mir Angst?“

Sie sah erst mich an, dann ihn und sagte leise: „Ja, ein bisschen.“

Auch Herr Schmidt wollte wissen, ob ich Angst vor ihm hätte. Da stand ich auf und ging zur Tür. Ich hörte noch, wie er zu Bine sagte: „Ein bisschen. Das genügte nicht“, hörte ich ihn noch sagen, während ich zur Tür hinausging.

Ob er wohl gewünscht hätte, dass ich heute Abend wiederkäme?

Morgen fahren wir, wenn das Wetter gut ist, mit dem Baron in den Wald. Lotte kommt auch mit. Nachmittags soll ich zu ihr hinunterkommen.

Ich bin gar nicht traurig. Fast glaube ich, er liebt mich doch.

„Von Herzen“, sagt das Marienblümchen.

KI generiert

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