Jagdtag

2–3 Minuten

Freitag, den 20. November 1925

Alles weiß vom Frost. Jagd! Ich habe frei!

Ich laufe um zehn Uhr hinunter. Ich will mit Lotte ausgehen. Der Baron lud mich zwar zum Jagdfrühstück ein, aber ich lehnte ab. Was soll ich dort? Es würde mir höchstens leidtun, wenn er da ist und auf mich warten sollte.

Sie haben die ganzen Tage auf uns gewartet; schließlich hat gestern Frau Schmidt unsere Mima gefragt, was denn hier oben los wäre. Und das, was mich am meisten freute: er hat dauernd gefragt: „Ist Hedy denn noch nicht dagewesen? Nun, heute muss sie doch kommen!“

„Und du kamst immer nicht“, fügte Lotte hinzu, die mir das auf dem Weg zur Post erzählte. Ich saß drinnen bei ihnen und sprach mit Lotte über „Käthe Guise“. Da hörte ich ihn im Flur. Er kam herein und ich glaube, er freute sich, als er mich sah. Er stellte fest, dass wir uns so lange nicht gesehen hätten.

„Drei Tage“, sagte ich. Er sah mich an und bemerkte wohl meine traurigen Augen. So gern hätten sie mich mit ins Theater genommen: „Gespenster“. Er las mir die Kritik aus der Zeitung vor. Und wie gern wäre ich mitgefahren!

Ich habe Lotte gebeten, mich das nächste Mal mit nach Göttingen zu nehmen, weil ich dort einiges zu besorgen habe. Ich merkte, dass sie es gern tat. Wie lieb habe ich sie alle da unten, selbst wenn ich manchmal vor dem einen „ausreiße“. Er hatte mich gesehen und ist anscheinend querfeldein gegangen, um mich zu ertappen, aber ich bin wie wild gelaufen.


Ich bin geladen! Was denken diese Menschen von mir? Zum Dinner bin ich zwar nicht eingeladen. Trotzdem muss ich da sein, um Bine an- und auszuziehen! Statt dass dieses Gör ins Bett kommt, geht sie hinunter zum Jagddinner und ich kann warten, bis sie wieder erscheint.

Es ist hoffnungslos. Frau Schmidt hatte mich für den ganzen Tag unten eingeladen – es war so schön und gemütlich dort. Lotte und ich haben gearbeitet und geplaudert. Meine Handarbeit, meine Gitarre… alles ist noch dort unten. Sollte ich da bleiben oder gleich wieder hinunterkommen?

Da läutet das Telefon. Kurt geht ran, und ich höre schon: es ist die Baronin. Mein Herz zittert. Ich habe wirklich Angst vor dieser Frau. Er gab mir das Telefon. Sie fragt, wo ich denn stecke, sie hütete ja schon den ganzen Nachmittag das Kind. In einem Ton, der mir das Blut in die Wangen treibt. Ich legte den Hörer hin und sah ihn an, aber helfen konnte mir ja keiner.

Ich musste allein meinen Weg gehen, den Berg hinauf. Was ich liebte, ließ ich unten. Ich habe die Baronin gar nicht mehr gesehen. Das Kind ist unten und braucht mich auch nicht. Die Schmidts werden wohl alle an mich denken. Ich bin vor Ärger so heiß, dass ich hier gar nicht mehr einzuheizen brauche.

Sind das Edelmenschen?

Der Baron hätte mich vermisst, sagten Schmidts. Vorhin war er bei mir und fragte, warum ich nicht zum Jagdfrühstück gekommen wäre.

„Weil ich da überflüssig war!“, sagte ich.

„Wieso denn!“, polterte er, fragte aber gleich darauf schon wieder nach der Halter Partie. Ich bin mir nicht sicher, ob das so stimmt, oder was das sein soll…

So ist das Leben? Ich wollte, ich müsste nicht in diesem Schloss leben!

KI generiert

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