

Dienstag, den 15. Dezember 1925
Schnee und Jagd! Um halb neun fuhren die Herren zur Jagd hinaus. Wir frühstückten oben. Ich hatte wieder diese Wut, aber diesmal musste ich im Hause bleiben. Während Lotte in Göttingen war. Doch ich musste doch erst einmal zu ihnen hinunter. Ich wurde vom Doktor aus hingebracht.
Frau Schmidt rief mich aus dem Herrenzimmer. Lotte sollte um zwei oder um fünf kommen. Ich setzte mich auf die Sessellehne und wir besprachen eifrig, was ich tun sollte.
Bine hatte mich die ganze Zeit gequält, mitzukommen: „Laufen Sie nur erst mit und dann sagen Sie, Sie hätten kalte Füße und kommen zu uns!“
Da ging die Tür vom Esszimmer auf. Der Herr Sohn im grünen Anzug, mit hohen Gamaschen.
„Wie ist es denn nun eigentlich: kommen Sie mit zur Jagd?“
Nein, hatte ich abgeschlagen.
Gut, dass die ganze Familie so empfindet wie ich. Der Adel soll ruhig wissen, dass wir Bürgerlichen auch unseren Stolz haben!
„Wir haben Lotte von der Bahn abgeholt, sie kommt sicher um zwei.“
Er wollte nicht, dass ich zum Jagdfrühstück hinausführe, aber seine Mutter meinte: „Tun Sie’s lieber, sonst denken sie noch, wir hätten Ihnen abgeraten.“
Also lief ich hinten herum. Mutter und Sohn schlenderten lachend nach. Als ich mich umdrehte, sah ich seine lustigen Augen. Diesmal hatte die Baronin mich nicht gesehen. Dann die Autofahrt hinaus. Alles, was nun folgte, berührte mich innerlich kaum. Das Feuer, die vielen Töpfe, die Tische. Man half beim Auspacken und beim Decken. Da kam ein Bauer aus Wibbecke mit einem Jauchefass. Das gab dem Ganzen die nötige Würze! Ich konnte nicht anders, ich musste lachen.
Im Auto saß ich neben Mädi. Eiskalte Füße, aber nett und lustig.
Bine war bei Margchen, nur die Baronin und Baron Adelshausen markierten tapfer hin und her laufend „die Jugend“.
„Gut, dass wir das nicht nötig haben!“, sagte Mädi.
Um halb zwei kamen endlich die Jäger mit vier Füchsen und dreiundzwanzig Hasen.
Dann saß ich neben dem Baron: „Sagen Sie mal, Fräulein Oltrogge, sind Schmidts pikiert, oder warum kommen sie nicht?“
Mein Name war Hase, ich weiß von nichts. Nun sollte ich die Ursache erforschen. Ach, war der dumm!
Froh war ich erst, als ich endlich nach Hause gehen konnte.
Da. Das Auto hinter mir: „Wollen Sie mitfahren?“
„Nein, danke.“
Noch zweimal fragte er.
„Ich habe kalte Füße. Ich muss erst warm werden.“
War der Zug schon durch? Lotte war nicht zu sehen. Auf dem Hof kamen mir Vater und Sohn entgegen. Er wollte noch mit mir zum Bahnhof. Thema: Jagd.
Wie er lachte!
Dann blieb der Alte zurück und wir gingen bis zum Tor, wo man etwas sicherer war. Natürlich hatte sie uns doch gesehen. Heute Mittag (16.11.) bei Tisch sagte sie: „Ja, und wir wollten Wichtel im Auto mitnehmen, aber sie hatte kalte Füße und wollte laufen. Eine viertel Stunde später sehe ich sie mit Herr Schmidt auf dem Hof spazieren gehen.“
Das war wahr… dagegen ließ sich nichts einwenden.
Als ich mich verabschieden wollte, sollte ich doch noch mit ins Haus gehen. Vielleicht war Lotte da.
So gut ist er. Ich sehe uns noch am Tor stehen, überlegend, was ich dem Baron als Grund sagen soll. Dabei war ich gar nicht aufgeregt. Nur dieses herrlich sichere, glückliche Gefühl.
Auch, als ich mit ihm hineinging. Er half mir, ich rutschte zweimal auf dem glatten Fußboden fast aus. Dann kam Lotte aus dem Zimmer.
„Ja, wo seid ihr denn gewesen?“
„Wir wollten dich doch abholen“, sagte er.
Da saßen wir also alle drei in den Sesseln, Lotte in der Mitte, und ließen uns von ihrem Fest erzählen.
Heute kommt ein Fräulein zu Besuch. Bis Donnerstag. Ein blonder Pagenkopf, graziös, aus Husum. Ich tat, als interessierte mich alles. Es wundert mich selbst, dass ich doch ein wenig eifersüchtig war.
Im Januar kommt Fräulein Stolze nun als Gast.
„Wenn ich dann aus Berlin zurück bin“, sagte Lotte.
„Du sollst gar nicht so lange in Berlin bleiben. Fahr doch schon am Ersten hin und komm am Sechsten wieder. Ich bin gar nicht dafür, dass du so lange fort bist.“
„Sind Sie dafür, Fräulein?“ fragte er mich.
„Nein, durchaus nicht.“
„Also siehst du. Wir zwei sehen das nicht ein, du kannst ruhig eher zurückkommen!“
„Oho!“, lachte Lotte.
„Ich fahre heute Abend nach Hannover. Soll ich Rudolf grüßen?“
„Ja, grüßen Sie ihn nur.“
Dann ging er.
Ich trank noch mit den anderen Kaffee. Sah mir Lottes Ballkleider an und dann ein Brief von ihrem Kurt. So möchte ich auch einmal geliebt werden.
Und heute in acht Tagen bin ich schon in Hannover und sehe niemanden von hier. Wie soll ich das Aushalten?
Manchmal denke ich, nicht umsonst musste ich hierherkommen. Nur sein Herz!


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