Wie Kriemhild am Fenster

1–2 Minuten
Seite 23

Freitag, den 10. Juli 1925

Es ist komisch, aber wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich ihn. Heute Morgen um halb acht ritt er gerade unten an der Burgmauer hin. Ich kam mir vor wie Kriemhild.

Um vier ritt er wieder über den Gutshof und drehte sich einmal um. Ich weiß nicht, ob er hier herauf sah und wandte sich dann auf den Acker, der bis zum Abend mit sieben Gespannen bearbeitet wurde. Später sah ich ihn mit seinem Vater und dem Verwalter langsam zum Gutshause gehen.

So war es gestern auch. Da stand Bine bei mir am Fenster und rief aus Leibeskräften seinen Namen bis er wirklich herauf guckte. Woraufhin ich mich zurückzog. Bine ist ein Original.

Heute bekomme ich durch Herbert einen Brief aus Finnland, die arme Marg ist krank. Außerdem einen Brief von Sabine, den sie mir in Irmelshausen geschrieben hat. Ich sollte Patentante bei ihrem Kind werden. Als ich sie eben zu Bett bringe, sagt sie mir, sie möchte gern mit 20 Jahren schon ein Kind haben und gleich drei Tage nach der Hochzeit. Ob es das gäbe, fragt sie mich dann.

Ich wäre eigentlich schon alt genug, ob ich nicht heiraten wollte. Dabei umklammerte sie mich und gibt mir die süßesten Schmeichelnamen, wie neulich, als sie mich in den weißen Hut sah.

Und ihre Tante Ilse kann sie nicht ausstehen.

„Ich will sie nicht sehen“, sagt sie nachher zu mir. „Deshalb ärgere ich sie weg.“

Wenn die Tante sie auf den Arm nimmt, streckt sie mir ihre Hände entgegen.

KI generiert

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